Raus aus den Schulden

Industrie, Handel und Dienstleistungen leben heute zu einem wesentlichen Teil davon, dass der Verbraucher konsumiert, also Produkte und Leistungen kauft und dafür zahlt. In Zeiten steigender Kosten, aber stagnierender Reallöhne ist diese Kaufkraft begrenzt. Dennoch wird dem Konsumenten durch die Werbung ständig etwas schmackhaft gemacht. Finanzierungsangebote erleichtern die Kaufentscheidung. Die Folge ist, dass zunehmend auf Kredit gekauft wird, aber durch Arbeitslosigkeit oder Krankheit die Raten nicht mehr planmäßig gezahlt werden können. Statistiken belegen die wachsende Zahl solcher Fälle von Überschuldung in allen Schichten der Bevölkerung. Sie beläuft sich gegenwärtig auf über 7 Millionen Bundesbürger. Die Wirtschaft kann zukünftig mit den Betroffenen nur noch eingeschränkt als Konsumenten rechnen, was aber die Konjunktur beeinträchtigen würde. Deshalb hat der Staat mit der Insolvenzverordnung vom 01.01.1999 Privatpersonen eine Möglichkeit gegeben, sich nach sechs Jahren von ihren Schulden befreien zu können.

Wer in diese Situation geraten ist, sollte schnellstens Bilanz ziehen. Dabei kann die Hilfe einer Schuldner-Beratung nützlich sein. Ein Schuldnerberater kann auf Grund seiner Erfahrungen Möglichkeiten finden, die Finanzen mit eigener Kraft wieder ins Lot zu bringen. Vielleicht lässt sich das aufwändige Insolvenzverfahren ja umgehen. Schließlich kann der Schuldnerberater mit Gläubigern von einer anderen Position aus verhandeln, als es der Schuldner vermag. Ist das Insolvenzverfahren unumgänglich, ist eine außergerichtliche Einigung mit Hilfe einer geeigneten Person oder Stelle ohnehin zwingend vorgeschrieben. Das kann eine Schuldnerberatungsstelle, ein Steuerbüro oder ein Anwalt sein. Von dort muss beglaubigt werden, dass diese außergerichtliche Einigung nach dem vorgeschriebenen Muster versucht wurde und gescheitert ist. Erst das ist die Voraussetzung, dass ein Eröffnungsantrag für das Verfahren und ein Antrag auf Restschuldbefreiung bei Gericht eingereicht werden kann. In dem Verfahren entscheidet das Gericht, welches pfändbare Einkommen über der gesetzlich festgelegten Pfändungsgrenze und welche vorhandenen Sachwerte, wie Fahrzeuge, Schmuck, Antiquitäten, oder Immobilien für die Tilgung der Schulden einzusetzen sind. Sollten weder pfändbares Einkommen, noch Sachwerte vorhanden sein, gehen die Gläubiger leer aus. Auch das legt das Gericht fest. Ein vom Gericht bestellter Treuhänder überwacht die ordnungsgemäße Durchführung dieser Beschlüsse.

An dieser Stelle des Verfahrens beginnt die “Wohlverhaltensperiode”. Sie dauert sechs Jahre abzüglich der bisherigen Dauer des Verfahrens. In diesem Moment sind alle Pfändungsversuche einzelner Gläubiger nicht mehr zulässig. Damit steht dem Schuldner sein Einkommen bis zur gesetzlichen Pfändungsgrenze uneingeschränkt zur Verfügung. Das sind bei einer Einzelperson ohne Kinder bereits über 900,-€ im Monat, die vorher meist auch zu großen Teilen für Kredit-Tilgungen eingesetzt wurden. Er muss sich jedoch in dieser Zeit ständig um einen Job bemühen, darf keine zumutbare Arbeit ablehnen und alles Einkommen über der Pfändungsgrenze für die Schuldentilgung abtreten. Jede Veränderung, wie Erbschaften, Lottogewinne oder Gehaltserhöhungen hat er zu melden.

Hat der Schuldner über den gesamten Zeitraum all diese Auflagen erfüllt, kann ihm das Gericht die Restschuldbefreiung erteilen. Damit ist er wieder so gestellt, als ob er nie Schulden hatte. Er ist wieder wirtschaftlich unabhängig und kann in vollem Umfang am Konsumentenleben teilnehmen. Doch Vorsicht, ein zweites Insolvenzverfahren ist für ihn in absehbarer Zeit nicht so ohne weiteres möglich.