EU-Recht

Seit den Anfängen im Jahr 1951 hat sich das vereinte Europa zu einem immer bedeutsameren Akteur auf der Weltbühne entwickelt. Weitaus entscheidender für den Unionsbürger dürfte heute jedoch der wachsende Einfluss der Europäischen Union auf die nationalen Rechtsordnungen und staatlichen Entscheidungsprozesse sein, die einem stetigen Druck zur Vereinheitlichung unterliegen. Ziel der Unionspolitik ist dabei die Schaffung eines Binnenmarktes mit einer möglichst weitgehenden Angleichung der Arbeitsbedingungen und Lebensverhältnisse. Eckpfeiler dieses Integrationsprozesses sind bis heute die sogenannten vier Grundfreiheiten, welche neben dem freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Union auch den freien Kapital- und Zahlungsverkehr sowie die Freiheit des Personenverkehrs garantieren.

Während zu Beginn des europäischen Integrationsprozesses rein wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund standen, hat das erklärte Ziel einer politischen Union seit den neunziger Jahren nochmals zu einer massiven Bedeutungszunahme der Brüsseler Vorgaben auf nationaler Ebene geführt. Denn je mehr Hoheitsrechte die einzelnen Mitgliedstaaten auf die Union übertragen und je häufiger sie im Gegenzug dem nationalen Gesetzgeber die Gestaltungskompetenz entziehen, desto umfangreicher wird der Regelungsbedarf durch die Organe der EU. In der Konsequenz sind heute so viele Lebensbereiche durch EU-Recht geprägt wie nie zuvor. Typische Beispiele sind etwa das Umwelt- und Verbraucherschutzrecht sowie in besonderem Maße das Wettbewerbs- und Kartellrecht. Eine neue Dimension europäischer Integrationspolitik hat die EU zuletzt mit der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen erreicht. Zudem hat die Einführung einer EU-Grundrechtecharta einheitliche Standarts in Europa gesetzt und damit einmal mehr die Bürgerrechte in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gestellt.

Zu einem Tätigwerden sind die Organe der EU durch die Regelungen im EG-Vertrag sowie dem später hinzugetretenen EU-Vertrag ermächtigt. Beide Werke regeln die Zuständigkeiten der EU und deren Umfang abschließend. Die Union verfügt dabei über verschiedene Mittel und Wege, ihre Entscheidungen in den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zu verankern und umzusetzen. Zu den gemeinhin bekanntesten zählen dabei Richtlinien und Verordnungen.

Im Gegensatz zu den Richtlinien werden Verordnungen der EU schon mit ihrem Erlass zwingend anwendbarer Bestandteil der nationalen Rechtsordnung. Behörden und Gerichte der Mitgliedstaaten haben sie unmittelbar anzuwenden und gegebenenfalls entgegenstehendes nationales Recht bei ihren Entscheidungen außer Betracht zu lassen. Damit kommt die Verordnung qualitativ einem klassischen Gesetz am nächsten.

Dem gegenüber bedarf die Richtlinie der Umsetzung ihrer Inhalte durch den nationalen Gesetzgeber. Dies führt dazu, dass von EU-Organen initiiertes Recht seine Herkunft in vielen Fällen nicht preisgibt und dem Bürger etwa in Deutschland als Bundes- oder Landesgesetz begegnet.

Daneben kennt der EU-Vertrag als weitere Maßnahmen ihrer Organe Empfehlungen und Entscheidungen. Während der Empfehlung aufgrund ihres weitgehend unverbindlichen Charakters kaum praktische Relevanz zukommt, wird die Entscheidung für den Betroffenen regelmäßig konkrete Wirkungen nach sich ziehen. Ein Beispiel ist etwa die Erteilung oder Rücknahme von Beihilfeentscheidungen beziehungsweise Subventionen. Ihre nationale Entsprechung findet die Entscheidung im deutschen Verwaltungsakt.

Wer etwa als Unternehmer von den Chancen europäischer Förderpolitik profitieren will, sollte diese Instrumentarien kennen. Dennoch wird in der Regel weiterer Expertenrat notwendig werden, denn die Vertrags- und Rechtstexte der Union werden heute durch eine zunehmende Fülle an Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemberg ergänzt. Die treffende rechtliche Beurteilung zahlreicher Sachverhalte mit europarechtlichem Bezug ist daher nur unter Einbeziehung der umfangreichen Rechtsprechung des EuGH möglich. Die Adressen spezialisierter Juristen mit besonderen Kenntnissen im Europarecht sind beispielsweise bei den regionalen Rechtsanwaltskammern zu erfragen.