Schwerbehindertenrecht

Das deutsche Schwerbehindertenrecht ist eine durchaus neue Rechtsmaterie. Es wurde zum 1. Juli 2001 vom Gesetzgeber neu erschaffen, um das bis dato unübersichtliche und auf verschiedene Bereiche verteilte Recht der Rehabilitation zu ersetzen. Diese Bemühungen resultierten in der Formulierung des Sozialgesetzbuches IX zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Dieses regelt nunmehr das Recht der Rehabilitation in durchaus umfassender Weise. Unter anderem wird die konkrete Begriffsbestimmung geregelt. Damit gilt als schwerbehindert im Sinne des Sozialgesetzbuches IX, wer einen Grad der Behinderung (GdB) über 50 hat. Ermittelt wird dieser Wert durch die zuständigen Ämter aufgrund verschiedener Anhaltspunkte. Das den Schwerbehinderten konkret betreffende Recht wird nunmehr im zweiten Teil des Sozialgesetzbuches IX geregelt. Hiernach ist etwa ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung erforderlich. Das Amt prüft darauf den Antrag und die notwendigerweise mitgelieferten ärztlichen Unterlagen und fällt daraus eine Entscheidung über den Status des Antragenden. Diese Entscheidung wird dem Antragenden durch einen Bescheid mitgeteilt, für den grundsätzlich die allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts gelten. So kann gegen den Bescheid zunächst Widerspruch bei der erlassenden Behörde eingelegt werden. Führt dieser Widerspruch jedoch nicht zum Erfolg, kann im Ergebnis der Sozialrechtsweg beschritten werden. Der Antragende kann also den Bescheid vor dem zuständigen Sozialgericht anfechten. Ist jedoch der entsprechende Grad der Behinderung durch das Amt festgestellt, ergeben sich als Konsequenz daraus verschiedene Rechtsfolgen. So stellen die entsprechend zuständigen Versorgungsämter etwa einen Schwerbehindertenausweis aus, der zur Vorlage und zum Nachweis der Behinderung dient. Damit unterscheidet sich der Ausweis maßgeblich von dem oben erwähnten Bescheid. Dieser ist letztlich nur zur Kenntnisnahme durch den Antragenden bestimmt, schon alleine weil im Rahmen der Ausführungen auf medizinische und anderweitig sensible Daten des Antragenden Bezug genommen wird. Demnach können anderen Personen auch nicht die Vorlage des Bescheides verlangen, wie es etwa im Rahmen von Vorstellungsgesprächen nicht selten der Fall ist.

Davon abgesehen ergeben sich aus dem Status des Schwerbehinderten gewisse Rechtsfolgen, die dessen erhöhtem Bedarf an Schutz und Förderung entsprechen. Diese gesonderten Rechtsfolgen erstrecken sich dabei auf nahezu jeden Bereich des Lebens, in dem der Schwerbehinderte einer gesonderten Behandlung bedarf und sind dementsprechend umfangreich. So genießt der Schwerbehinderte etwa einen entsprechend umfangreicheren Kündigungsschutz. So darf diesen, unter dem Hinzutreten weiterer Bedingungen, weder ordentlich noch eine außerordentlich gekündigt werden, wenn nicht zuvor die Zustimmung des zuständigen Amtes eingeholt wurde. Darüber hinaus haben Schwerbehinderte etwa auch einen Anspruch auf zusätzlichen, bezahlten Urlaub von einer Woche pro Arbeitsjahr. Darüber hinaus kommen dem Schwerbehinderten auch bestimmte steuerliche Erleichterungen zu.

Der Hauptteil der anwaltlichen Beratung auf dem Feld des Schwerbehindertenrecht finden demnach naturgemäß vor allem in der Geltendmachung und Durchsetzung der oben genannten Ansprüche statt. Insbesondere der Widerspruch und die gegebenenfalls nötige Klage gegen Bescheide erfordert unter Umständen anwaltlichen Beistand, schon alleine weil der sozialgerichtliche Rechtsweg unter Umständen die Vertretung durch einen Anwalt erfordert. Dabei zeigt die Praxis insbesondere einen Bedarf an Beratung im Bereich der Feststellung des Grades der Behinderung. Darüber hinaus ist oftmals eine Beratung des schwerbehinderten Mandanten im Hinblick auf die ihm zustehenden arbeitsrechtlichen Rechte und Pflichten angezeigt. So werden die Sonderregeln für Schwerbehinderte gelegentlich durch Arbeitgeber vernachlässigt. Auch eine steuerrechtliche Beratung im Hinblick auf die abweichende steuerliche Behandlung von Schwerbehinderten kann sich durchaus lohnen, damit diese ihren gesetzlich garantierten Handlungsspielraum gänzlich ausnutzen kann.