Chat

Das Jahr 1988 gilt als Geburtsjahr des Computerchats. An der finnischen Universität Oulu stellte der Student Jarkko Oikarinen den Internet Relay Chat (IRC) vor, der sich zuerst in Finnland und den USA, später weltweit schnell verbreitete. Beim IRC können sich mehrere Gesprächspartner auf einem virtuellen Gesprächskanal, dem Channel, für ein rein textbasiertes Gespräch treffen. Die User benötigen dafür ein Chatprogramm, den IRC-Client, mit dem sie auf den IRC-Server zugreifen. Der bekannteste Client war über Jahre hinweg mIRC. Es entstanden Channels zu allen denkbaren Themen und für alle Interessengruppen. IRC ist auch heute noch in Gebrauch, wird aber von Webchats zunehmend verdrängt. Seit Mitte der achtziger Jahre war auch das Bildschirmtextsystem BTX im Einsatz, bei dem man am Fernseher mit einem Modem über das Telefonnetz mit anderen Teilnehmern in kleinen vierzeiligen Textfenstern kommunizieren konnte. Die Texte wurden jedoch nicht gleichzeitig, sondern immer nur nacheinander angezeigt. Wesentlich populärer war das französische Online-System Minitel. Beide Systeme verloren mit der Verbreitung des Internet Mitte der neunziger Jahre ihre Bedeutung. Mit der nicht zuletzt durch den Browser-Krieg zwischen den Softwarehäusern Netscape und Microsoft rasanten Verbreitung des Internets kamen immer mehr Webchats auf, die direkt über den jeweils installierten Browser aufgerufen werden können. In einem Webchat erstellen sich die Teilnehmer ein Persönlichkeits- und Interessenprofil und haben die Möglichkeit, über differenzierte Suchfunktionen nach den gewünschten Gesprächspartnern zu suchen. Das Profil kann auch durch digitale Fotos und mittlerweile Videos ergänzt werden. Die Gespräche erfolgen durch einen Austausch von Messages, der beinahe realtime oder auch zeitversetzt erfolgen kann. Die Chat-Portale bieten Zusatzfunktionen an, die den Dialogen ganz andere psychologische Ebenen hinzufügen. So kann ein User sich anzeigen lassen, welche Messages bereits gelesen worden sind, er erhält auf Wunsch eine Besucherliste seines Profils, er kann andere Chat-Teilnehmer mit der Vergabe von Icons charakterisieren oder unerwünschte Besucher blocken. Da diese neuen Funktionen zum einen ein realistisches Bild vom Gegenüber vermitteln können, zum anderen dennoch die Anonymität gewahrt bleibt, dienen diese Webchats überwiegend zum Flirten und zur Kontaktsuche. Es gibt Chatrooms für beinahe jede Zielgruppe an jedem Ort der Erde. Unerfahrene Chatter können sich über einen entsprechenden Webkatalog einen Überblick über die Vielfalt verschaffen. Die Ausrichtung dieser Chats auf einen bestimmten Themenbereich und die Möglichkeit, seine wahre Identität nur schrittweise preiszugeben, haben dazu geführt, dass die in den achtziger Jahren aufgestellten Regeln der Netiquette keine Gültigkeit mehr haben.

Für die jüngeren Generationen gehört das Chatten im Web zu einer selbstverständlichen Alltagsbeschäftigung. Reale Kontakte entstehen über das Netz und werden dort gepflegt. Die Chatlines dienen zum Flirten und zum Anbahnen sexueller Kontakte. Durch die übertriebene Nutzung des Online-Datings treten neuerdings Phänomene wie Kontrollverlust über die eigene Zeit, Entzugserscheinungen bis zur sozialen Abgrenzung in der realen Welt auf. Die Grenze zu ziehen zwischen Zeitvertreib und Zwangsverhalten fällt manchem online-abhängigen Chatter schwer.